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Kopfschmerzen im Zusammenhang mit Wein

Schädelbrummen nach dem Weintrinken?

Einsteiger im Bereich Wein bringen das dumpfe Gefühl im Kopf nach einer ausgelassenen Nacht häufig mit dem im Wein vorhandenen Konservierungsmittel in Verbindung. Tatsächlich besteht eine Korrelation zwischen dem Konsum von Wein und Kopfschmerzen, allerdings nicht aufgrund des Schwefels im Getränk! Kaum ein Thema im Wein ist so von Gerüchten durchzogen und bedient sich so abgedroschener Klischees wie der Schwefel, der seit über 5.000 Jahren unweigerlich Teil des Weins ist.

Alkohol fungiert als Zellgift. Solche Toxine sind gesundheitsschädigend und könnenache Schmerzen verursachen. Ein übermäßiger Genuss von Alkohol entzieht dem Körper Wasser. Es ist daher ratsam, begleitend zum Wein möglichst viel Wasser zu sich zu nehmen, was sich als außerordentlich förderlich erweist. Zu viel Alkohol behindert den Gasaustausch im Gehirn, was unausweichlich zu Kopfweh führt. Eine reduzierte Sauerstoffzufuhr durch das Rauchen verschlimmert die Kopfschmerzen in Kombination mit Alkohol zusätzlich.

Interessanterweise ist es möglich, dass insbesondere hochwertige Weine, abhängig von ihrer Herstellungsmethode und der Qualität der verwendeten Trauben, höhere Konzentrationen an fuselartigen Ölen und komplexeren Alkoholen aufweisen können, welche als Zellgifte bei entsprechend veranlagten Personen Kopfschmerzen hervorrufen.

Zwar unerfreulich, aber keineswegs ungewöhnlich. Immer mehr Personen berichten von Kopfschmerzen nach dem Verzehr von Wein. Insbesondere Rotwein scheint hierbei betroffen zu sein, jedoch beklagen sich auch nach dem Genuss von Weißwein vermehrt Menschen, vor allem Frauen, über Kopfweh, das bis zur Migräne reichen kann, über eine verstopfte oder laufende Nase, einen trockenen Mund oder Probleme mit den Atemwegen bis hin zu Asthma bronchiale, über Herzrhythmusstörungen, die schlaflose Nächte bedingen, über niedrigen Blutdruck mit daraus resultierender Müdigkeit und Erschöpfungszuständen, über Magen-Darm-Beschwerden bis hin zu Hautjucken und Rötungen.

Die zuvor beschriebenen Symptome sind selten allein auf den Alkohol zurückzuführen. Seit einigen Jahren ist die Ursache dieser Beschwerden bekannt. Umfangreiche Forschungen beschäftigen sich mit deren Entstehung und den Auswirkungen: Es handelt sich um bioaktive Stickstoffverbindungen. Das OIV in Paris sowie die Europäische Union erörtern bereits Höchstwerte für biogene Amine im Wein, weshalb es verwundert, dass die Weinwirtschaft, sowohl Weingüter als auch der Handel, zu diesem Thema schweigt bzw. es offensichtlich noch gar nicht zur Kenntnis genommen hat.

Bioaktive Stickstoffverbindungen

Diese Substanzen sind natürlicherweise in einer Vielzahl von Lebensmitteln präsent, insbesondere in gereiftem Käse, Wein, Bier, dort besonders im Weißbier, in Sauerkraut und, in beträchtlichen Mengen, in Fischprodukten und Salami. Die am häufigsten auftretende Lebensmittelunverträglichkeit, die auf biogene Amine zurückzuführen ist, betrifft das bekannte Histamin; jedoch ist dies nicht das einzige Amin, das empfindlichen Individuen Probleme bereitet, da bestimmte Amine synergistische Effekte auslösen können.

Im Wein sind biogene Amine gut dokumentiert. Sie sind bereits in den Gewächsen vorhanden, entstehen jedoch vorrangig und beständig während der Fermentationsprozesse und weisen zudem erhebliche Schwankungen auf, abhängig von der chemischen Zusammensetzung des Weins, der Art der Vergärung und der Reife im Keller.

Histamin wird im menschlichen Organismus aktiv produziert und spielt eine Rolle bei der Regulierung verschiedener Körperfunktionen wie der Magensäuresekretion, des Zellwachstums und der Zelldifferenzierung. Personen, die auf Histamine empfindlich reagieren, sind nicht allergisch; hier spricht man von einer Unverträglichkeit. Die medizinische Forschung verzeichnet seit Jahren eine deutliche Zunahme dieser spezifischen Unverträglichkeit, die neben erhöhten Histaminspiegeln auch eine reduzierte Aktivität des Enzyms Diaminoxidase (DAO) aufzeigt. Dieses körpereigene Enzym ist empfindlich und kann durch biogene Amine, Alkohol und dessen Abbauprodukt Acetaldehyd in seiner Funktion beeinträchtigt werden. Das Enzym, das im Körper für den Abbau von Alkohol zuständig ist, die sogenannte Alkoholdehydrogenase (ADH), konkurriert mit anderen Enzymen um den notwendigen Sauerstoff. Bei gleichzeitigem Konsum von Alkohol und biogenen Aminen hat der Alkoholabbau Vorrang, wodurch sich das Histamin im Körper anreichert. Auf diese Weise wird die toxische Wirkung des Alkohols durch biogene Amine, insbesondere Histamin, verstärkt.

Obwohl Wein im Vergleich zu Käse, Rohwurst und Fisch (für Fisch existiert in der EU bereits ein Grenzwert für Histamin) üblicherweise geringere Mengen an Histamin enthält, wird er am häufigsten als Auslöser der zuvor genannten Beschwerden genannt. Die Gründe hierfür sind mannigfaltig. Erstens erfolgt die Aufnahme des Histamins aus flüssigen Medien wesentlich schneller und konzentrierter als aus festen Nahrungsmitteln; zweitens erhöht der Alkohol die Permeabilität der Darmwand, sodass das Histamin aus dem Wein zusammen mit dem Histamin aus gleichzeitig verzehrten Speisen unverändert in den Blutkreislauf gelangt. Der simultane Verzehr von Alkohol und histaminreichen Lebensmitteln, wie beispielsweise Käse und Salami zu Rotwein, kann somit bei entsprechend prädisponierten Personen rasch zu den erwähnten Beschwerden führen. Auch Krustentiere gelten als Verursacher von Beschwerden, da sie, ähnlich wie Erdbeeren oder Zitrusfrüchte, Histamin spontan im Körper freisetzen können.

Wie entstehen biogene Stickstoffverbindungen im Wein?

Der Veränderung des Weltklimas hat zu einer früheren Reife mit besser ausgereiften Trauben geführt. Dies resultiert in einem beschleunigten Abbau der Apfelsäure in der Traube und somit in ansteigenden Säuregraden. Parallel dazu haben sich durch den Klimawandel die Geschmackspräferenzen hin zu einem Geschmacksprofil mit milder, weicher Säure, einem vollmundigen, fast süßen Körper und einer möglichst dunklen Farbe verschoben. Erreicht wird dies alles durch extrem späte Ernten mit (zu) hohen Säuregraden, die im Nachgang im Keller durch Ansäuerung, mit verlängerter Standzeit der Maische, sowie durch malolaktische Gärung, welche zunehmend auch in Weißweinen zur Erzielung einer milden Säure praktiziert wird, kompensiert werden müssen.

Die für das modische Geschmacksprofil charakteristischen hohen Säuregrade begünstigen die Vermehrung von Mikroorganismen, da die antimikrobielle Wirkung des Schwefeldioxids exponentiell abnimmt. Früher wurde die Schwelle von pH 3,4 (ab welcher die Vermehrung schädlicher Bakterien beginnt) kaum erreicht, heute weisen die meisten Rotweine höhere pH-Werte auf, und auch viele Weißweine überschreiten diese Marke. Die schädlichen Mikroorganismen sind die primären Produzenten der biogenen Amine. In den warmen Klimazonen der EU und allen außereuropäischen Weinbauländern dürfen zu hohe Säuregrade durch gezielte Ansäuerung „korrigiert' werden, um so einen künstlichen Schutz gegen schädliche Bakterien zu gewährleisten. In Nordeuropa ist dies den Weingütern nur mit ausdrücklicher Erlaubnis gestattet.

Die zahlreichen Untersuchungen zu biogenen Aminen im Wein haben ergeben, dass nicht nur die Art und Dauer der Weinbereitung, sondern auch Klima und Nährstoffangebot, ja sogar die Rebsorte Einfluss auf die Konzentration von Polyaminen haben. Histamin, ein gesundheitlich bedeutsames Amin, ist im Ausgangsmust nur in geringer Konzentration vorhanden. Seine Entstehung erfolgt primär während der malolaktischen Gärung sowie während der Reifephase im Keller. Durch Bakterien auf den Trauben und durch eine ungeeignete Mikroflora im Weinkeller kann es zu Kontaminationen mit schädlichen Milchsäurebakterien kommen, aber auch bestimmte wilde Hefen, die sich in der frühen Phase der alkoholischen Fermentation vermehren, können Histamin produzieren. Aus diesem Grund ist für spontan vergärende Betriebe die Kenntnis der korrekten Hefestämme ebenso bedeutsam wie „gesunde' Säuregrade in Most und Wein.

Aber...

... garantierte histaminfreie Weine wären eine drastische Kur für den Wein, die niemand wünscht: Starke Mostvorklärung, Beimpfung mit Kulturhefen, kalte, schnelle Vergärung und anschließend intensive Klärung mit speziellen Bentoniten (natürliche Mineralerden). Solche Weine mögen dann zwar frei von biogenen Aminen sein, schmecken jedoch entsprechend technisch, ausdruckslos und banal.

Daher tendiert der Trend im Qualitätsweinbau zu ökologisch wirtschaftenden Spitzenbetrieben, die kerngesunde Trauben mit dem richtigen Säuregrad, also einem „guten' Verhältnis von Äpfel- zu Weinsäure, ernten und sich der Problematik der biogenen Amine bewusst sind. Um absolute Sicherheit zu gewährleisten, müssten Weingüter und Handel den Gehalt an biogenen Aminen sowie den Säuregrad ihrer Weine deklarieren, was beides nicht Teil der vorgeschriebenen Standardanalytik ist - bedauerlicherweise. Wir tun dies, soweit uns die Daten vorliegen, damit Sie stets informiert sind.

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