Medizinischer Dienst: Arbeitsunfähigkeit und Arbeitgeber
Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit - Welche Möglichkeiten haben Arbeitgeber?
Im beruflichen Alltag kommt es immer wieder vor, dass Arbeitgeber die vorgelegten Krankschreibungen einzelner Mitarbeiter infrage stellen.
Ab dem vierten Krankheitstag ist eine ärztliche Bescheinigung erforderlich. Jedoch sind Arbeitgeber berechtigt, eine Bestätigung der Arbeitsunfähigkeit (AU) bereits ab dem ersten Krankheitstag zu verlangen. Die entsprechenden Anzeige- und Nachweispflichten sind im § 5 EFZG (Entgeltfortzahlungsgesetz) festgelegt.
Vor Gericht genießen ärztliche Atteste einen hohen Stellenwert als Beweis dafür, dass die betroffene Person tatsächlich erkrankt war. Ein Beispiel hierfür ist das LAG Niedersachsen, welches den Beweiswert einer AU als nicht erschüttert ansah, obwohl die Krankschreibung eines gekündigten Angestellten präzise bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses datiert war (Urteil vom 08.03.2023, Az. 8 Sa 859/22).
Was können Sie unternehmen, wenn Sie Zweifel an der AU haben?
In den seltensten Fällen ist die Situation wirklich unmissverständlich. Oftmals ist es lediglich ein ungutes Gefühl, welches zu Skepsis führt - beispielsweise, wenn Krankmeldungen sich häufen oder regelmäßig zu bestimmten Zeitpunkten auftreten.
Für Sie als Arbeitgeber gestaltet es sich schwierig, simulierte Arbeitsunfähigkeit nachzuweisen. Da es sich hierbei um ein sensibles Thema handelt, sollten Sie stets sorgfältig abwägen, ob Sie gegen eine AU vorgehen. Denn dieses ungute Gefühl kann täuschen und die betreffende Person ist in der Tat erkrankt.
Das direkte Gespräch suchen
Hegen Sie den Verdacht einer vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit und möchten dagegen vorgehen? Dann müssen Sie nachweisen, dass Ihre Bedenken bezüglich der Arbeitsunfähigkeit gerechtfertigt sind. Dies erweist sich oft als schwierig, da Arbeitgeber weder über die Diagnosen noch über den Namen des behandelnden Arztes informiert sind. Für eigene Recherchen sind die Möglichkeiten somit stark begrenzt.
Daher empfiehlt es sich, zunächst das persönliche Gespräch zu suchen. Beschäftigte sind zwar nicht verpflichtet, Ihnen Informationen über ihre Erkrankung preiszugeben, dennoch kann man aus der unmittelbaren Reaktion der Person oft wichtige Erkenntnisse gewinnen. Zudem fördern offene Gespräche das Vertrauen und wirken weiterem Misstrauen entgegen.
Attest früher anfordern
Als nächsten Schritt besteht die Möglichkeit, die Vorlage einer früheren Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu fordern. Das EFZG verpflichtet Arbeitnehmer, ihre Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer unverzüglich dem Arbeitgeber mitzuteilen. Eine ärztliche Bestätigung ist allerdings erst nach drei Tagen erforderlich. Arbeitgeber besitzen jedoch das Recht, bereits zu einem früheren Zeitpunkt ein Attest zu verlangen.
Wann sind stichhaltige Zweifel angebracht?
Sollten Angestellte ihrer Verpflichtung zur rechtzeitigen Vorlage einer AU-Bescheinigung nicht nachkommen, können Arbeitgeber die Fortzahlung des Gehalts verweigern. Dies ist grundsätzlich auch dann möglich, wenn Zweifel an der Korrektheit der AU-Bescheinigung bestehen.
Allerdings müssen sie in diesem Fall den Beweiswert der AU erschüttern und Tatsachen präsentieren, die geeignet sind, ernsthafte Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit zu begründen.
Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit sind gemäß § 275 SGB V zulässig, wenn folgende Umstände vorliegen:
- Die betreffende Person wird auffallend oft oder in auffallend kurzen Abständen krankgeschrieben.
- Die Person ist häufig zu Beginn oder am Ende der Woche arbeitsunfähig.
Zusammenhangsanfrage für AU-Zeiten
Bei Vorliegen berechtigter Zweifel haben Sie als Arbeitgeber die Möglichkeit, bei der Krankenkasse eine sogenannte "Zusammenhangsanfrage" einzureichen. Dies bedeutet: Mittels Datenaustausch fragen Sie an, ob vorherige Arbeitsunfähigkeiten aufgrund derselben Erkrankung bestanden haben. Wenn dies der Fall ist, deutet dies auf eine chronische Erkrankung hin, die einer regelmäßigen Behandlung bedarf. Dies könnte darauf hindeuten, dass die AU gerechtfertigt ist.
Jedoch: Akute Erkrankungen, wie beispielsweise Bauchschmerzen, werden nicht zwangsläufig als zusammenhängende Krankheit betrachtet.
Gutachten durch den Medizinischen Dienst
Zusätzlich zur Zusammenhangsanfrage können Sie von der Krankenkasse die Einholung einer gutachterlichen Stellungnahme durch den Medizinischen Dienst (MD) anfordern.
Der Medizinische Dienst stellt ein unabhängiges Gutachterteam dar. Er unterstützt die gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen bei leistungsrechtlichen Fragestellungen mit medizinischem und pflegerischem Fachwissen.
Die Krankenkassen können eine solche Begutachtung jedoch ablehnen, sofern die AU aufgrund der vorliegenden Diagnosen eindeutig nachvollziehbar ist.
Wie geht es im Folgenden weiter?
Durch die Stellungnahme des MD kann der Beweiswert einer AU-Bescheinigung infrage gestellt werden. Weicht die Beurteilung des MD vom ärztlichen Attest ab, werden zunächst ausschließlich der behandelnde Arzt und die Krankenkasse über das Ergebnis in Kenntnis gesetzt.
Sofern der Arzt seine Einschätzung nicht weiter untermauern kann, übermittelt die Krankenkasse dem Arbeitgeber die Information, ob eine Arbeitsunfähigkeit vom Medizinischen Dienst bestätigt wurde und bis zu welchem Zeitpunkt. Dadurch kann der Arbeitgeber den Gegenbeweis antreten und gegebenenfalls arbeitsrechtliche Konsequenzen ableiten.
Weiterführende Informationen und Arbeitshilfen
- Eine umfassende Übersicht über die rechtlichen Grundlagen und Regelungen rund um Krankschreibungen finden Sie bei TK-Lex.
- In TK-Lex stellen wir Ihnen ferner ein Musterschreiben bereit, das Ihre Mitarbeiter dazu auffordert, die Arbeitsunfähigkeit frühzeitig nachzuweisen.
- Mithilfe des Entgeltfortzahlungsrechners können Sie die individuelle Dauer des Entgeltfortzahlungsanspruchs Ihrer Angestellten berechnen.