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Baumlose Sattelkonzepte für Wirbelsäulenfreiheit

Obwohl für den Pferderücken (des Reittieres) gemeinhin keine idealere Option als ein traditioneller Sattel mit fester Baumkonstruktion existiert, bleibt dieser oft eine Herausforderung. Die interne Struktur dieser Sattelart ist nämlich darauf ausgelegt, die Belastung durch das Gewicht des Reiters bestmöglich homogen zu verteilen. Jedoch ist es zwingend erforderlich, dass solche Baumsättel dem jeweiligen Pferd passgenau angepasst werden. Für etliche Pferde stellt die Suche nach einem derart passenden Sattel eine beträchtliche Herausforderung dar. Dies kann zum Beispiel daran liegen, dass die Tiere im Laufe ihres Lebens Muskulatur verlieren und infolgedessen einen altersbedingten Senkrücken ausbilden, oder aber ihre anatomische Rückenform von Natur aus komplex und anspruchsvoll ist. In solchen Situationen können Reiter Abhilfe mittels eines alternativen Sattelkonzepts, das ohne festen Baum auskommt, finden. Auf dem aktuellen Markt ist hierfür eine umfassende Palette an baumlosen Sattelmodellen, Fellsätteln, speziellen Reitpads sowie Filzsätteln verfügbar. Nachfolgend werden Ihnen diverse alternative Sattelkonzepte detailliert präsentiert.

Der Fellsattel: Vorzüge und mögliche Schwachpunkte

Der Grundgedanke: Ein denkbar simpler Leitsatz verbirgt sich hinter dem Fellsattel, der sich auf vier wesentliche Worte komprimieren lässt: kein fester Baum, folglich keine punktuelle Druckbelastung. Überdies erfreuen sie sich aufgrund ihrer häufig überschaubaren Anschaffungskosten von lediglich einigen hundert Euro großer Beliebtheit bei zahlreichen Reitern, die sie als preiswerte Option gegenüber herkömmlichen Reitsätteln schätzen.

Die Funktionsweise von Fellsätteln: Charakteristisch für Fellsättel ist das Fehlen sowohl eines festen Sattelbaumes als auch eines Kopfeisens. Infolgedessen wird das Pferd kaum in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt, wodurch es sich wesentlich unbeschwerter entfalten kann. Deshalb erfreuen sich derartige Sättel insbesondere bei Pferden mit ausgeprägterem Bauchumfang großer Beliebtheit, da sie sich ihrer individuellen Körperform mühelos anpassen lassen. Ebenso stellen sie für Pferde mit einem ausgeprägten Widerrist und gleichzeitig einem verkürzten oder leicht abgesenkten Rücken eine praktikable Option dar. Des Weiteren finden sie mitunter erfolgreiche Anwendung bei Pferden, die an dorsalen Beschwerden leiden, sowie bei noch unerfahrenen (jungen) Tieren. Darüber hinaus profitiert der Reiter von einem direkteren Kontakt zum Pferd, da er tiefer im Sattel platziert ist als in einem herkömmlichen Baumsattel. Fellsättel dienen somit ebenso dem Zweck, die Sitzbalance des Reiters zu optimieren. Im Übrigen teilen sie diese Eigenschaft mit dem Filzsattel sowie dem Bareback-Pad. Die Herausforderungen, die diese Sattelalternativen mit sich bringen, sind vergleichbar: Es besteht die Gefahr, dass sie auf den Widerrist des Pferdes ziehen, insbesondere wenn ihr Schnitt lediglich geradlinig und nicht anatomisch an die Rückenform angepasst ist. Des Weiteren erweist sich die gleichmäßige Verteilung der Gewichtsbelastung des Reiters als kritisch. Hierbei können lokale Druckspitzen entstehen, vorrangig unter den Sitzbeinhöckern des Reiters. Das verwendete Schafsfell des Fellsattels sowie, modellabhängig, integrierte zusätzliche Polsterungen dienen dazu, eben solchen Druckspitzen (lokalen Belastungen) entgegenzuwirken.

Hinweis

Fellsättel verleihen dem Reiter häufig ein Gefühl der Sitzstabilität, bedingt durch ihre üppigen Polsterungen im vorderen und hinteren Bereich.

Dies funktioniert jedoch lediglich eingeschränkt, wie ein im Jahr 2014 durchgeführter Praxistest von CAVALLO, der drei verschiedene Fellsattel-Modelle untersuchte, offenbarte. Ferner ist von erheblicher Bedeutung: Fellsättel sollten idealerweise nicht in Kombination mit Steigbügeln geritten werden. Die Gurte zur Anbringung der Bügel können nämlich punktuellen Druck auf die empfindliche Wirbelsäule des Pferdes ausüben. Eine permanente Nutzung ist keineswegs ratsam: Es wird dringend empfohlen, den Fellsattel nicht länger als wenige Stunden wöchentlich zu verwenden.

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Ein Gefühl wie auf einem Kissen - Reitpads ohne Baum (Bareback-Pads)

Das Grundkonzept: Claudia Miller, eine versierte Tierärztin und erfahrene Horsemanship-Trainerin aus Solingen (Nordrhein-Westfalen), erläutert, dass man als Reiter ohne Sattel ein intensiveres Gespür für das Pferd entwickle. Zudem sei das Pferd in seinem Rückenbereich sowie im Schulterbereich uneingeschränkt in der Bewegung. Für Pferde, welche aufgrund ungeeigneter Sattelmodelle bereits muskuläre oder dorsale Beschwerden aufweisen, können diese Pads obendrein wohltuend wirken.

Die Funktionsweise eines Pads: Grundlegend betrachtet handelt es sich bei einem Bareback-Pad lediglich um ein Kissen in Sattelform. Frau Miller merkt an, dass man im Grunde genommen auch vollständig ohne jegliche Unterlage reiten könnte. Allerdings biete das Pad zusätzliche Stabilität und bewahre die Reithose vor dem Schweiß des Pferdes. Besonders hervorzuheben ist: Auch Pads müssen passgenau auf das Pferd abgestimmt sein. Claudia Miller ist sich darüber im Klaren, dass geradlinig geformte Pads das Pferd am Widerrist erheblich einschränken können. Ein klares Manko von Pads ist, dass sie das Reitergewicht nicht gleichmäßig über den Pferderücken verteilen. Eine von CAVALLO durchgeführte Erhebung der Druckverteilung offenbarte, dass bestimmte Pads das Gewicht des Reiters tendenziell in den hinteren Bereich des Pferderückens verschieben oder unzureichende Wirbelsäulenfreiheit gewährleisten. Claudia Miller stellt fest, dass Pads für ausgedehnte Ausritte untauglich sind, und mahnt eindringlich davor, diese Pads niemals mit Steigbügeln zu verwenden. Die Bügelriemen könnten Druck auf den Pferderücken ausüben, und bei einer asymmetrischen Gewichtsverteilung besteht die Gefahr, dass das Pad seitlich verrutscht.

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Der Filzsattel: Erprobung in der Praxis und Analyse der Druckverteilung

Das Konzept: Der Filzsattel (siehe www.filzsattel.de) soll gewährleisten, dass der Reiter jede Bewegung des Pferdes (seines Vierbeiners) detailliert spüren kann, während gleichzeitig ein adäquater Schutz des Pferderückens vor den Sitzbeinhöckern des Reiters sichergestellt wird.

Die Funktionsweise des Filzsattels: Grundlegend gesehen besteht der Filzsattel aus einer starken Filzdecke, die mit (Schaumstoff-)Polsterungen versehen ist. Allerdings ist diese Decke anatomisch an den Pferderücken passgenau geformt und verfügt über eine durchdachte Wirbelsäulenfreiheit. Der Filzsattel ist in unterschiedlichen Ausführungen erhältlich, um diversen Rückenformen von Pferden gerecht zu werden, einschließlich jener mit einem ausgeprägten Widerrist, wie dem Wallach Winnie The Pooh von CAVALLO-Leserin Stephanie Buschmann. Dieser Wallach entwickelte im fortgeschrittenen Alter einen geringfügig abgesenkten Rücken und zeichnet sich zudem durch einen außerordentlich ausgeprägten Widerrist aus. Stephanie Buschmann berichtet, dass ihm während des Anreitens obendrein ein ausgeprägter Sattel- und Gurtzwang induziert wurde. Anfangs sei es ihr daher ausschließlich möglich gewesen, ihn ohne Sattel zu reiten. In einer über Jahre andauernden, beharrlichen Arbeit führte sie Winnie behutsam an das Satteln und Gurten heran und testete dabei zahlreiche unterschiedliche Sättel eingehend. Den zuletzt genutzten Baumsattel stellte sie jedoch außer Dienst, da sich aufgrund des Senkrückens ihres Pferdes eine sogenannte Auflagebrücke bildete: Der Sattel lag fortan ausschließlich am Widerrist und am Hinterzwiesel auf. Dies führt zu erheblichen lokalen Druckspitzen und ist für das Pferd äußerst schmerzlich. Stephanie Buschmann erzählt, dass sie zunächst einen Fellsattel getestet hatten. Später sei sie, inspiriert durch die klassische Reitkunst nach Bent Branderup, auf den Filzsattel gestoßen. Winnie kommt mit diesem Sattel prinzipiell gut zurecht; allerdings legt Frau Buschmann ihn zusätzlich mit einer Lammfellschabracke und einem Pad unter. Ein zusätzlicher Vorteil, so Frau Buschmann, sei, dass man als Reiter in diesem Sattel eine sehr aufrechte und gestreckte Sitzposition einnehme.

Zwei von CAVALLO beauftragte Testreiterinnen berichten übereinstimmend von einem Gefühl der Sicherheit und Stabilität im Sitz, welches der Filzsattel vermittelt. Die daraufhin vorgenommene Analyse der Druckbelastung demonstrierte, dass die Wirbelsäule des Pferdes dank der hervorragenden Wirbelsäulenfreiheit des Filzsattels effektiv entlastet wird. Das Gewicht des Reiters verteilte sich dabei optimal und lag nicht ausschließlich auf dem Gesäß auf. Die Resultate dieser Messung belegten zudem, dass die Testreiterinnen ausgewogen und zentriert auf dem Pad saßen.

Hinweis

Der Filzsattel gewährleistet durch seine seitlich angebrachten Polsterungen eine hervorragende Widerristfreiheit.

Ohne festes Innenleben - Baumlose Sattelmodelle

Die Grundannahme: Ähnlich wie beim Fellsattel, lautet die Prämisse: Fehlt ein fester Sattelbaum, kann (theoretisch) auch keine punktuelle Druckbelastung auf das Pferdekreuz (den Pferderücken) ausgeübt werden.

Aufbau und Nutzung baumloser Sättel: Diese Sattelmodelle lassen sich ohne einen möglicherweise restriktiven Baum direkt auf dem Pferderücken platzieren. Einige Ausführungen besitzen jedoch ein Kopfeisen, welches manchmal aber austauschbar und individuell an den Widerrist des Pferdes adaptierbar ist. Unter den Sitzflächen zahlreicher baumloser Modelle sind jedoch Kunststoffplatten oder vergleichbare Elemente integriert, die dem gesamten Aufbau eine gewisse Stabilisierung verleihen. Da diese Sättel dennoch stärker den Bauchrundungen des Pferdes folgen als ein traditioneller Baumsattel, positionieren sie den Reiter tendenziell breiterbeinig auf dem Pferd. Der korrekte, klassische Dressursitz mit langem Bein wird durch diese Positionierung somit erschwert.

Hinweis

Ein baumloser Sattel sollte ebenfalls unbedingt direkt am Pferd von erfahrenen Fachleuten überprüft und beurteilt werden. Das hier abgebildete Sattelmodell beispielsweise erweist sich als über die optimale Länge hinausgehend für den Rücken des Pferdes.

Eine von CAVALLO durchgeführte, umfangreiche Untersuchung von sechs verschiedenen baumlosen Sattelmodellen zeigte auf: Baumlose Sättel gestalten das Druckprofil auf dem Pferderücken anders; in den meisten Fällen war die Druckausübung im hinteren Bereich signifikant höher als bei einem klassischen Baumsattel. Diese Tatsache kann als bedenklich eingestuft werden, da Pferde in diesem Bereich des Rückens äußerst sensibel sind und leicht auf Druck reagieren können. Bei einer Reihe der getesteten Sättel trat zudem das Phänomen der unerwünschten Brückenbildung auf. Ebenfalls kritisch kann des Weiteren die gewährte Wirbelsäulenfreiheit ausfallen. Die Auswertungen der Messdaten belegten somit eindeutig, dass auch baumlose Sättel keinesfalls ohne eine professionelle Anpassung direkt am Pferd erworben werden sollten.

Exkurs: Zur Definition des Sattelbaums im Reitsattel

Der Sattelbaum ist ein integraler Bestandteil im Kern eines konventionellen Reitsattels. Die klassische Konstruktionsweise stellt hierbei einen Holz-Stahlfeder-Baum dar. Dieser setzt sich aus einem robusten Holzrahmen, zwei entlang der Länge gespannten Stahlfedern sowie sowohl quer als auch längs verlaufenden Gurten zusammen. Er folgt dynamisch der natürlichen Bewegung des Pferdes und soll auf diese Weise Aufprallkräfte effektiv absorbieren. Ein Kunststoffbaum hingegen ist eine aus Faserverbundwerkstoffen gefertigte Baumkonstruktion. Mitunter werden zur Verfestigung der Kunststofffasern auch Kohlenstofffasern verwendet (bekannt als "Carbon-Baum"). Oftmals sind Kunststoffbäume thermoplastisch, was bedeutet, dass sie durch die Einwirkung von Wärme formbar und individuell anpassbar sind.

Sind baumlose Sättel wirklich sinnvoll?

Von den Herstellern wird oft propagiert, dass Sattelmodelle ohne festen Baum die universelle Lösung für sämtliche Pferde darstellen und somit ein mühsames, zeitraubendes Anpassen entfällt. Kritiker kontern jedoch, dass baumlose Sättel die Druck- und Gewichtsverteilung des Reiters nicht adäquat gewährleisten und daher potenziell schädigend für das Tier sein können. Welche dieser Aussagen trifft nun tatsächlich zu?

Im Rahmen einer umfangreichen Untersuchung im Jahr 2008 unterzog CAVALLO mehrere baumlose Sattelmodelle einer genauen Prüfung. Das Ergebnis der Untersuchung war eindeutig: Baumlose Sättel verteilen den Druck nicht etwa überlegen, sondern lediglich in einer abweichenden Weise im Vergleich zu herkömmlichen Sätteln mit Baum. Die Eignung von Reit-Kissen, Filzsätteln sowie Fellsätteln hinsichtlich des Pferdewohls und des Reitersitzes wurde vom CAVALLO-Team in nachfolgenden, separaten Tests eingehend evaluiert. Ganz gleich, ob die Wahl auf einen Fellsattel, ein Reit-Pad oder einen Sattel mit flexiblem Baumgestell fällt - jede Option erfordert genaue Betrachtung.