Frankfurt Sevilla Fußballspiel
Das Europa-League-Finale am Mittwochabend in Sevilla zwischen Eintracht Frankfurt und den Glasgow Rangers bringt weit über hunderttausend Anhänger zusammen. In der Stadt herrscht Ausnahmezustand, während die Hotelpreise ins Unermessliche steigen.
Selbst einfachste Hostelzimmer sind für über tausend Euro erhältlich, komplizierte Reiserouten mit Bahn, Bus und Flug sind die Norm, und eine erwartete "Völkerwanderung" wird die Stadt Sevilla auf den Endkampf der Europa League zwischen Eintracht Frankfurt und den Glasgow Rangers vorbereiten. Man rechnet mit bis zu 50.000 Anhängern aus Hessen und über 70.000 Schotten in der andalusischen Final-Metropole. Gemessen an Tradition, Fanbasis und der aufgeladenen Atmosphäre dürften am Mittwoch bei Temperaturen von bis zu 35 Grad Celsius bereits vor dem Anstoß am Abend (21:00 Uhr/RTL) Verhältnisse herrschen, die man sonst nur von einem Weltmeisterschaftsfinale kennt.
"Es wird ein Ansturm sein, wie ihn diese Stadt noch nie erlebt hat", meinte Frankfurts Vorstandssprecher Axel Hellmann hinsichtlich des Showdowns im Estadio Ramón Sánchez Pizjuán. "Es wird wahrscheinlich das erste Mal sein, dass wir auswärts weniger Fans haben als der Gegner. Das wird gewaltig", fügte er hinzu, zumal das Stadion, zum Missfallen beider Fangruppen, nur etwas mehr als 40.000 Zuschauer fassen kann.
Ausschließlich 10.000 Eintrittskarten für jede Fan-Gruppierung
Jeder der beiden Vereine erhielt lediglich 10.000 Eintrittskarten, hätte aber mehr als das Zehnfache an seine Fans verkaufen können, die nach dem internationalen Titel gieren. Diese Situation ist für die beiden Finalisten besonders enttäuschend, da Sevilla selbst zwei größere Fußballarenen besitzt als die des FC Sevilla. Dennoch vermag dies die Begeisterung in Frankfurt und Glasgow nicht zu dämpfen.
"Wir sind voller Erwartung, da es sich um ein einzigartiges Zusammentreffen der lautstärksten und gesangfreudigsten Fanlager Europas in diesem Wettbewerb handelt", erklärte Hellmann. "Das wird ein nahezu beispielloses und sehr, sehr stimmungsvolles Finale." Sein Verein wurde vom Erfolgslauf in Europa selbst ein wenig überrascht. Eintracht Frankfurt, das die Bundesliga-Saison auf einem ernüchternden elften Rang abschloss, befindet sich seit Wochen im Ausnahmezustand. Sämtliche Gedanken kreisen um Europa, noch intensiver als es ohnehin üblich ist. Christoph Daum, ehemaliger Trainer der Hessen, prognostiziert für Sevilla "eine kleine Völkerwanderung", wie er der Deutschen Presse-Agentur mitteilte.
Für Hellmann und den Verein stellt das Finale den vorläufigen Höhepunkt einer bemerkenswerten Reise dar: 2016 die Rettung vor dem Abstieg in der Relegation gegen Nürnberg, 2018 der Pokalsieg gegen Bayern München und nun 2022 das erste europäische Finale seit 42 Jahren. Zu diesem Ereignis werden Zehntausende eigene Anhänger aus ganz Europa anreisen - auf teils ungewöhnlichen, unbequemen und meist äußerst kostspieligen Wegen.
1.600 Euro für eine gewöhnliche Hotelunterkunft
Wer in Sevilla dabei sein möchte, muss tief in die Tasche greifen und zudem Glück bei der Ticketvergabe haben. Dies gilt gleichermaßen für Anhänger aus Frankfurt wie aus Schottland. Der Profi Leon Balogun beschreibt die Hingabe der Rangers-Fans treffend: "Es kann absolut unangenehm werden, wenn es nicht nach Plan läuft. Trotzdem ist es reine Liebe und Besessenheit. Das zeichnet diese Fans aus. Ich liebe diese Intensität."
Die beiden Fangruppen pflegen freundschaftliche Beziehungen; bei der Eintracht existiert sogar ein Besprechungsraum mit dem Namen "Glasgow Rangers". Bei den Hessen wurde mit großer Freude der Einzug des schottischen Traditionsclubs ins Finale gefeiert, anstatt des von RB Leipzig. Dies verschärfte und verteuerte allerdings den Wettbewerb um Eintrittskarten und Hotelzimmer erheblich. Wer zu spät dran war, musste in Sevilla bereits 1.600 Euro für eine zwei Nächte umfassende Übernachtung in einer einfachen Unterkunft aufbringen. Der Wucher kannte nach den Halbfinalspielen keine Grenzen mehr.
Die enorme Energie, die das Endspiel am Main entfacht, zeigt sich auch im Public Viewing, das die Eintracht in ihrem eigenen WM-Stadion veranstaltet. Bis zu 100.000 Eintrittskarten hätte der Bundesligist, der bereits in Barcelona und bei West Ham von riesigen Fangruppen auswärts unterstützt wurde, verkaufen können. Auf dem Schwarzmarkt wurden mehr als das Zehnfache des regulären Preises von 10 Euro aufgerufen - und das nur, um die Partie auf einer Großbildleinwand zu verfolgen, rund 2.300 Kilometer nordöstlich der eigentlichen Austragungsstadt des Finals.
Ein Fan reist mit dem Fahrrad an
Für die Fans stellt die Kartenverfügbarkeit das mit Abstand gravierendste Problem dar. Unterkünfte und Anreisemöglichkeiten lassen sich mit Zugeständnissen, einem gut gefüllten Geldbeutel oder kreativen Ideen - ein Fan unternimmt die Reise von Frankfurt nach Sevilla per Fahrrad - organisieren. Die Anzahl der verfügbaren Karten ist jedoch stark limitiert. "Diese Enttäuschung müssen Sie mir kleiner erklären. Ich kenne sie und empfinde sie mit. Ich habe auch einige enttäuschte Nachrichten aus meinem Freundeskreis erhalten", äußerte sich Hellmann.
Der Verein hat angesichts der Erfolge (3:2 in Barcelona und 2:1 bei West Ham) eine "grundlegende Entscheidung" bezüglich der Ticketvergabe getroffen, wie Hellmann erläuterte. Die besonders stimmkräftigen und engagierten Anhänger sollen unbedingt vor Ort sein, um den Schotten Paroli bieten zu können. "Wir gehen pragmatisch vor. Wir wollen die Begeisterung von den Rängen auf das Spielfeld übertragen", sagte der Funktionär. Im sommerlich heißen Sevilla wird diese Energie bereits den gesamten Tag über spürbar sein.
DPA
tis / Patrick Reichardt und Eric Dobias