Vertragsstrafe wegen fristloser Kündigung
Einseitige Pönalen in Arbeitsverträgen (AGB) stellen eine erhebliche Ungleichheit dar
Das Sächsische Landesarbeitsgericht hat im vorliegenden Fall geurteilt, dass ein Beschäftigter durch vertraglich vereinbarte Strafzahlungen vor allem dann unbillig belastet wird, wenn diese ausschließlich ihn treffen und keine Gegenmaßnahmen für den Arbeitgeber bei gleichartigen Verfehlungen festgelegt wurden (LAG Sachsen, Entscheidung vom 24. Januar 2022 - 1 Sa 345/21).
Der Sachverhalt
Hintergrund des Beschlusses vom Sächsischen Landesarbeitsgericht ist folgende Konstellation: Der Angestellte war erst befristet, dann aber unbefristet als Leiter eines Pflegedienstes tätig. Er beendete das Beschäftigungsverhältnis unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist von einem Monat zum Monatsende. Des Weiteren gab der Angestellte ein ihm vom Arbeitgeber bei Arbeitsbeginn ausgehändigt „iPad' erst 16 Tage nach Ende der von ihm gewählten gesetzlichen Kündigungsfrist an diesen zurück. Im Arbeitsvertrag war eine Kündigungsfrist von einem Monat zum Quartalsende vereinbart, ferner eine „Vertragsstrafe bei Nichteinhaltung' für den Fall, dass der „Mitarbeiter das Arbeitsverhältnis schuldhaft ohne rechtlichen Grund und ohne Beachtung der Kündigungsfrist' beendet. Die Höhe der Strafe war auf die Vergütung festgelegt, die der Mitarbeiter bis zum Ablauf der regulären Kündigungsfrist erhalten hätte, begrenzt auf ein Bruttomonatsgehalt. Zusätzlich war eine Vertragsstrafe in Höhe eines Bruttomonatsgehalts bei Nichterscheinen, bei Verstößen gegen Wettbewerbsverbote und bei Nichtrückgabe von Firmeneigentum für den Mitarbeiter vorgesehen. Der Arbeitgeber hingegen unterlag keinerlei Strafzahlungen. Vom Kläger forderte der Arbeitgeber sowohl für die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist als auch für die bei Ende des Arbeitsverhältnisses unterlassene Rückgabe des iPads jeweils die Zahlung eines Bruttomonatsgehalts.
Der Arbeitgeber scheiterte mit seinem Ansinnen sowohl in der ersten Instanz als auch vor dem LAG.
Begründung der Entscheidung
Das LAG Sachsen erläuterte in seiner Entscheidung zunächst, dass der Angestellte zwar die vertragliche Kündigungsfrist nicht beachtet und das iPad verspätet zurückgegeben hatte, die Regelungen zu den Vertragsstrafen jedoch aus verschiedenen Gründen ihre Gültigkeit verloren.
Obwohl das Verbot des § 309 Nr. 6 BGB keine Anwendung auf Arbeitsverträge findet, sodass eine Vereinbarung über eine Vertragsstrafe für die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses durchaus möglich ist, verstößt die vorliegende Vertragsstrafe bezüglich der schuldhaften Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Transparenzgebot gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, da der Interpretationsspielraum der Regelung zu weit gefasst ist. Mittels der Formulierung „schuldhaft ohne Rechtsgrund und ohne Einhaltung der Kündigungsfrist' wurde nicht ausreichend klar dargelegt, wann diese Bedingungen erfüllt sind. „Schuldhaft ohne Rechtsgrund' liegt aus Sicht des LAGs ausschließlich bei unentschuldigtem Nichterscheinen des Angestellten vor. Eine Kündigung hingegen, wie im vorliegenden Fall, stellt als Gestaltungserklärung bereits einen Rechtsgrund dar. Selbst eine unberechtigte außerordentliche Kündigung könnte von der Bestimmung erfasst sein, da durch das Fehlen eines wichtigen Grundes ein schuldhaftes Verhalten vorliegt. Trennungen infolge ordentlicher Kündigungen durch den Arbeitnehmer sind jedoch nicht „schuldhaft' möglich, da sie keiner gesetzlich vorgeschriebenen Kündigungsbegründung bedürfen. Aber nur für diesen Fall ist die Rechtsfolgenregelung der Vertragsstrafe, die eine Verbindung zur Kündigungsfrist herstellt, nachvollziehbar.
Die Klausel ist zudem insbesondere deshalb ungültig, weil sie den Angestellten durch die rein einseitige Belastung unbillig benachteiligt. Auch die Vertragsstrafe bei Verweigerung der Rückgabe benachteiligt den Angestellten nach Auffassung des LAGs aufgrund der Höhe der angesetzten Vertragsstrafe in unangemessener Weise. Die Pflicht zur Rückgabe umfasst auch sämtliche Arbeitsmaterialien und -mittel, sodass hier bereits eine Strafe in Höhe eines Bruttomonatsgehalts ausgelöst werden könnte, wenn der Angestellte beispielsweise benutzte Gummihandschuhe oder Ähnliches nicht oder zu spät zurückgegeben hätte.
Praxistipps
Gerade Arbeitgeber neigen dazu, schnell Vertragsstrafen in Arbeitsverträge aufzunehmen, um sich vermeintlich gut vor einer Pflichtverletzung des Arbeitnehmers zu schützen. Die Entscheidung des LAG Sachsen zeigt jedoch, dass den Arbeitgebern aufgrund der regelmäßigen Anwendung des AGB-Rechts bei der Gestaltung von Arbeitsverträgen durchaus Grenzen gesetzt sind, was die Aufnahme von Vertragsstrafen betrifft. Es empfiehlt sich daher, nicht leichtfertig Vertragsstrafen für jede Art von Pflichtverletzung des Arbeitnehmers aufzunehmen, sondern stattdessen eine ausgewogene und der Pflichtverletzung angemessene Regelungsausgestaltung zu wählen, um eine Sanktionierung letztendlich auch wirksam anwenden zu können.
14. Februar 2022